Samstag, 14. April 2012

Wie wichtig sind emotionale Prozesse in der Sprache?

Betrachtet man die Handlungsfunktionen von Sprache, so kann man die emotionalen Prozesse anhand der einzelnen Arten der direkten Sprechakte verdeutlichen. Kognitive Prozesse finden zweifelsohne in jeder Kommunikationshandlung statt. In der Einen mehr, in der Anderen weniger. Anhand von Beispielsätzen kann dies gut gezeigt werden. So sagt der Sender mit „Der Termin ist heute Mittag.“ einzig und allein aus, dass es Mittags einen Termin gibt, bzw. dass der eben besprochene Termin Mittags stattfindet. Dies kann die Antwort auf eine Frage sein, aber auch eine ungefragte Information. Diese Art Sprechhandlung wird als repräsentative Sprechhandlung bezeichnet. In dem gesprochenen Satz ist der reine Informationsgehalt von Bedeutung. Würde man die einzelnen Ebenen1 betrachten, so wäre die Informationsebene hier im Vordergrund. Es wird vom Sender gesagt, dass der Termin Mittags stattfindet. Die Beziehungs- und Appellebene bleiben hier weitgehend offen, als Selbstoffenbarung gibt der Sender der Nachricht preis, dass er weiß, wann der Termin stattfindet. Emotionale Prozesse fänden hier nur statt, wenn die Informationsebene nicht oberste Prämisse hätte. Etwas anders sieht es bei direktiven Sprechakten aus. Der Empfänger der Nachricht wird vom Sender zu einer bestimmten Handlung veranlasst. Dies geschieht in Form von Bitten, Fragen, Befehlen, etc. Mit der Frage „Könntest Du mir bitte helfen?“ verdeutlicht der Sender, dass er die Hilfe vom Empfänger benötigt, weil er eine Aufgabe zum Beispiel nicht alleine schafft. Hiermit könnten emotionale Zustände angesprochen werden. Besser verdeutlichen kann man dies mit mehr Kontext. Würde der Sender die Beispielfrage in einer Einkaufshalle einem Unbekannten stellen während er versucht, etwas aus den unteren Regalfächern zu greifen, so würde diese Frage beim Empfänger Mitleid auslösen. Soweit zur Selbstoffenbarung. Appellebene wäre hier natürlich die Bitte um Hilfe. Die Beziehungsebene gibt an, wie der Sender zum Empfänger steht. In diesem Fall ist es offensichtlich. Die Informationsebene gerät hier in den Hintergrund. Das liegt daran, dass Emotionen die Inhaltsebene überlagern. Das gilt natürlich nicht allgemein für direktive Sprechhandlungen. Für expressive Sprechakte allerdings schon, denn hier drückt der Sender Emotionen oder emotionale Empfindungen aus. Beispiele für expressive Sprechhandlungen sind nur schwer in einzelnen Sätzen anzugeben, da hier Kontext, Mimik und Gestik sehr wichtig sind. Würde ein Sender also schimpfend vor dem Hörer stehen und „Wie kannst Du mir das nur antun?“ sagen, so ist dies nicht nur emotionsausdrückend beim Sender, sondern auch emotionsauslösend beim Hörer. Der Sender ist offensichtlich empört über das Verhalten vom Empfänger. Der Empfänger hingegen empfindet Scham oder auch Gleichgültigkeit. Die Beziehungsebene überlagert komplett den Informationsgehalt. Anhand von expressiven Sprechakten kann man die Beziehungen zwischen emotionalen und kognitiven Prozessen am deutlichsten ergründen. Umso unverständlicher scheint es, wieso gerade diese Beziehung lange Zeit nicht beachtet wurde. Es liegt auf der Hand, dass unsere kognitiven Prozesse von Emotionen beeinflusst werden. Deutlich wird dies nicht nur bei den eben besprochenen expressiven Sprechhandlungen, sondern auch bei fast allen indirekten Sprechakten.
Eine weitere Sprechhandlung ist die Kommissive. Hier verpflichtet sich der Sender zu einer bestimmten Handlung. Auch hier werden Emotionen ausgedrückt oder hervorgerufen. So wird der Empfänger bei dem Satz „Wenn ich Dich das nächste Mal sehe dann kannst Du was erleben!“ eventuell eingeschüchtert, empfindet Angst, Wut oder auch Scham. Der Sender hingegen zeigt deutlich seine Erregung. Natürlich wird auch hier vom Sender eine Information übergeben, nämlich explizit das Gesagte, jedoch ist der Beziehungsaspekt mehr gewichtet. Es geht dem Sender nicht darum, dass der Hörer weiss, dass er etwas erleben kann, sondern vielmehr darum, dass der Hörer merkt, wie verärgert der Sender ist. Kommissive Sprechakte ziehen immer eine Beziehung zwischen Sprecher und Empfänger mit sich. Zuletzt noch die deklarative Sprechhandlung. Hier wird durch die Sprechhandlung ein neuer Sachverhalt geschaffen. Die passiert zum Beispiel beim Heiraten durch das Ernennen zu Mann und Frau, oder beim Kündigen eines Mitarbeiters. Hier werden fast immer Emotionen ausgelöst, wenn auch nicht immer ausgedrückt. Bei einer Hochzeit wird mit dem allbekannten Satz „Hiermit ernenne ich Euch zu Mann und Frau.“ bei fast jedem Angehörigen Freude ausgelöst. Auch bei der Kündigung eines Mitarbeiters wird bei dem Betroffenen Trauer oder Wut ausgelöst. Das liegt daran, dass die Erschaffung eines neuen Sachverhalts institutioneller Art automatisch mit einer Veränderung des status quo einhergeht. Wird eine neue Situation geschaffen, so bildet man sich auch eine Meinung darüber und die eigentliche Information geht nahezu verloren, da zuerst einmal emotionale Prozesse in den Gang gesetzt werden. Die deklarativen Sprechhandlungen sind ebenfalls ein guter Beweis für die Wichtigkeit emotionaler Prozesse in der Kommunikation. Auch hier kann man sehr gut erkennen, dass die Kognition abhängig von den Emotionen ist. Das menschliche Wahrnehmen wird durchaus stark beeinflusst von emotionalen Prozessen und obwohl dies so signifikant ist, fand es trotzdem lange keine ausreichende Beachtung. Ein Grund hierfür könnte die Gesellschaft sein, die die Sprachwissenschaft zum Teil als nicht akademisch genug erachtet, oder auch die zu eingeengte Sichtweise in der Linguistik. Diese befasste sich schließlich vielmehr mit den kognitiven Prozessen, die emotionalen Prozesse jedoch finden sich eher im Gebiet der Neurowissenschaft wieder. Aber auch das ist fraglich zu betrachten. Spätestens beim Analysieren der indirekten Sprechakte erkennt man die Interaktion von emotionalen und kognitiven Prozessen, denn die indirekten Sprechhandlungen sind an das sogenannte Höflichkeitsprinzip gebunden. Dieses Prinzip spricht nicht die rationalen und kognitiven Prozesse an, sondern richtet sich an emotionale Prozesse. Aussagen, die in einem indirekten Sprechakt getroffen werden, sind fakultativ. Sie können vom Sender zurück genommen werden, wenn der Hörer durch die Aussage offensichtlich in eine unangenehme Situation gerät oder sich unter Druck gesetzt fühlt. Hier werden Emotionen beim Empfänger hervorgerufen. Eindeutig und unverkennbar sind auch hier die Beziehungen zwischen Emotionen und Sprache. Der Hörer fühlt sich bei der Aussage „Das hast Du ja ganz toll gemacht!“ eventuell unsicher, degradiert oder auf den Arm genommen. Der Sender kann nun, da der Hörer sich anscheinend bloß gestellt fühlt, durch das Kriterium der Streichbarkeit beispielsweise „Nein wirklich, ich finde, Du hast das sehr gut gemacht.“ hinzufügen, ganz gleich ob dies tatsächlich seiner Meinung entspricht oder nicht. Somit nimmt er Spannungen aus der Situation und mildert die aufkommenden Emotionen ab. Die emotionalen Prozesse werden natürlich nicht nur durch diverse Sprechakte ausgelöst, sondern auch durch emotive Lexeme. Emotive Lexeme sind emotionsausdrückende oder auch emotionshervorrufende Wörter.

1 Friedemann Schulz von Thun definierte das Vier-Seiten-Modell, mit dem verschiedene Aspekte einer Nachricht betrachtet werde. Hierzu gehören die Selbstoffenbarung, die Beziehung, die Sachinformation und der Appell.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen